Dr. Wälchli, Sie sind einer der wenigen Wirbelsäulenchirurgen in der Schweiz, welcher bereits seit über 15 Jahren regelmässig endoskopische Eingriffe an der Wirbelsäule durchführt. Weshalb haben Sie sich für diese Technik bereits so früh interessiert?
Bereits als Oberarzt an der Universitätsklinik Balgrist habe ich Patienten getroffen, die sich wegen eines Bandscheibenvorfalls in München bei Dr. Thomas Hoogland endoskopisch operieren liessen. Damals mussten Patienten an unserer Klinik nach einer Bandscheibenoperation über eine Woche hospitalisiert werden. Bei der endoskopischen Technik kehrten die Patienten bereits nach zwei Tagen aus München zurück und konnten die Arbeit nach wenigen Tagen wieder aufnehmen. Das hat mich fasziniert, und ich wollte diese Technik unbedingt auch erlernen.

Als Instruktor für endoskopische Eingriffe haben Sie über die Jahre auch die internationale Entwicklung dieser Technik mitbegleitet. Wo steht die Schweiz aktuell im internationalen Vergleich?
Obwohl in der Schweiz bereits in den 80er Jahren an der Universitätsklinik Balgrist endoskopische Verfahren für die Wirbelsäulenchirurgie entwickelt wurden, hat sich diese Technik in der Schweiz bis heute nie richtig etabliert. Auch im übrigen Europa gab es nur wenige, meist privat praktizierende Ärzte, die die Endoskopie in der Wirbelsäulenchirurgie eingesetzt haben. Diese Ärzte wurden oft als Exoten belächelt.

Im asiatischen Raum, insbesondere in Südkorea, wird die Endoskopie bereits seit langem routinemässig eingesetzt und auch weiterentwickelt.
Erst vor ein paar Jahren ist das Interesse an den endoskopischen Verfahren auch in der Schweiz wieder gewachsen. Vielleich auch deshalb, weil grosse akademische Institutionen wie zum Beispiel AO Spine vermehrt Kurse anzubieten begannen. Nun wird die Endoskopie auch in akademischen Zentren der Schweiz wieder salonfähig und die Chancen stehen gut, dass die Endoskopie ebenso wie die mikrochirurgischen Operationstechniken zur Grundausbildung in der Wirbelsäulenchirurgie gehören wird.

Weshalb gelingt in der Schweiz der Durchbruch der Endoskopie in der Wirbelsäulenchirurgie erst jetzt?
Es hat wohl damit zu tun, dass bisher keine soliden Studien vorlagen, die den Vorteil der Endoskopie im Vergleich zu herkömmlichen mikrochirurgischen Techniken aufzeigen konnten. Neuere Studien belegen nun, dass die Endoskopie durchaus in einigen Punkten anderen Techniken überlegen ist, z.B. wegen der kürzeren Hospitalisation oder wegen geringerer Schmerzen unmittelbar nach der Operation. Dies hat Übrigens auch dazu geführt, dass in den Niederlanden der Staat das endoskopische Verfahren wieder in die Grunddeckung der Krankenversicherung aufgenommen hat.
Aktuell zeigen sich auch in der Schweiz wieder einige akademische Ausbildungszentren interessiert an der endoskopischen Technik.

Wann ist aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrung die endoskopische Technik eine sinnvolle Alternative zur mikrochirurgischen Technik?
Die Endoskopie ist wie andere operative Verfahren eine Technik, um ein spezifisches chirurgisches Problem zu lösen. Aber auch bei der Endoskopie gibt klare Indikationen und Kontraindikationen und damit Grenzen, die respektiert werden müssen. Natürlich kann ein erfahrener Chirurg bzw. Chirurgin die Grenzen einer Technik verschieben. Wichtig ist jedoch, dass die Patientinnen und Patienten keinen Schaden erleiden.